A C H T U N G !
Dies ist eine Seite der alten Internetpräsenz des Gymnasiums Wildeshausen mit Stand vom Schuljahr 2011/2012.
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Das englische Wörterbuch enthält, was das deutsche auslässt: einen Hinweis auf das Lächerliche, das zu Belachende des Absurden und damit auch des Absurden des Theaters.
Deutsche Auseinandersetzungen mit Beckett, einem der Hauptvertreter des Absurden des Theaters, seien es dramaturgische oder wissenschaftliche Interpretationen, haben sich immer eher um philosophische Deutungen bemüht; anglo- irische hingegen sehen Beckett in der Tradition des Zirkus, des Varietés, der "music hall". Als Beckett in den 70er Jahren in deutscher Sprache sein berühmtestes Stück Warten auf Godot in Berlin aufführte, sah das deutsche Publikum klar, was es bei der Sinnsuche gerne übersah: dass die beiden Figuren Wladimir und Estragon u.a. ein Clownspaar sind - wie Don Quijote und Sancho Pansa oder gar wie Dick und Doof. Clowns sind schließlich Figuren, die Tragik und komik in sich vereinen, bei denen aber das Komische überwiegt, so dass wir beinahe erleichtert über sie lachen können.
Becketts Figur - auch Hamm, Clov und Nagg, Nell in Endgame - sind wie Clowns, bei denen das Tragische überwiegt: der Humor wird makaber - wir lachen dennoch, bisweilen mit schlechtem Gewissen, und manchmal bleibt uns das Lachen im Halse stecken.
Wenn wir Beckett in englischer Sprache spielen, dann zum einen deshalb, weil wir uns vor der Stückauswahl als englischsprachige Theater-AG gegrndet und verstanden haben, zum andern wollen wir bewußt an die anglo-irische Tradition des clownegken Beckett anknüpfen. Neben der fremden Sprache muten wir Ihnen/ Euch viel zu, ein Stück mit einem Inhalt, der zunächst unserer Erfahrungswelt widerspricht, uns provozieren will.
Da vegetieren zwei Menschen nebeneinander her. Der eine kann nur in seinem Rollstuhl sitzen, kann nichts sehen. Der andere muss sich zwanghaft bewegen, er kann nicht sitzen. Sie sind voneinander abhängig. Hamm ist auf die eher unzuverlässigen Mitteilungen Clovs über den Zustand der Außenwelt angewiesen. Clov wird durch die herrischen Befehle Hamms angetrieben. Ständig kündigt Clov an, Hamm verlassen zu wollen. Ob er sich wirklich eines Tages zum Fortgang entschließen wird?
In der Bühnenwelt von Endgame gibt es kein Ziel, kein Irgendwo, keine Utopie. Die Natur scheint zerstört, und die beiden Figuren erscbrecken bei dem Gedanken, dass alles wieder von vorne anfangen könnte. Zu den komischsten Momenten des Stückes geh”rt Clovs Flohjagd in seiner weiten "Clownshose", weil er befürchtet, dass von dort aus neues Leben entstehen könnte.
Zeit wird totgeschlagen auf der Bühne, erscheint sowieso nicht mehr messbar. Wiederholungen und Pausen erinnern an so etwas wie Zeit. "Something is taking its course". Irgendwas nimmt seinen Lauf - die Zeit, der Untergang, der Verfall? Zeit als Verfallszeit.
Die Existenz Hamms, der ständig nach seinem Betäubungsmittel, dem pain-killer, fragt, ebenso wie die des von ihm abhängigen Clov ist menschenunwürdig, doch da gibt es noch Schlimmeres: Nagg und Nell im Abfalleimer, sich an etwas erinnernd, was Leben gewesen sein mochte, obwohl dies auch schon vorn Unglück gekennzeichnet war. Lachend erinnern sich die beiden an einen Ausflug in die Ardennen, bei dem sie ihre Beine verloren haben.
Zerstörte Utopien, zerstörte Natur, beschädigtes Leben, menschlicher Abfall - diese Begriffe erwecken Assoziationen, die auf unsere Wirklichkeit verweisen. Umweltkatastrophen, gestörte zwischenmenschliche Beziehungen, militärische Bedrohung, Krieg.
Doch Vorsicht: Hamm und Clov erschrecken und lachen bei dem Gedanken, dass sie eine Bedeutung haben könnten wie Figuren aus alten christlichen Lehrstücken oder aus neuen sozialistischen, wie beispielsweise denen Brechts.
Hamm: We're not beginning to ... to ... mean something?
Clov: Mean something! You and I, mean something
(Brief laugh)
Ah that's a good one.
Das Stück legt Deutungen nahe, die es sogleich wieder aufhebt: es verweigert die eindeutige Interpretation, regt zum Nachdenken an, predigt nicht.
Ob Hamm und Clov, Nagg und Nell angesichts des Endes von Natur oder menschlicher Geschichte spielen, wissen wir nicht, aber sie spielen, spielen Theater vor dem Hintergrund einer langen Theatertradition. Sie spielen Herrschsucht, Rebellion, spielen mit Requisiten, bemühenden großen, tragischen Monolog. Sie spielen statisch, um dann plötzlich bei Hamms wilder Rollstuhlfahrt den Bühnenraum weitläufig zu nutzen, und sie spielen häufig auf dramatische Weltliteratur an. Exemplarisch wollen wir zeigen, wo unsere Figuren dem Gestus des großen tragischen Monologs nahekommen. Dort, wo Hamm fragt, ob denn menschliches Leiden überhaupt erhabener sein könne als seines, und er sich selbst die Antwort gibt - "frher ja, aber heute" - spielen wir Hamiets To be or not to be aus. Wenn Nagg aus dem Eimer seinen Sohn Hamm verflucht, lassen wir Lear mit seinem Fluch gegen seine Töchter auftreten.
Besetzung
Hamm.....Nina Rohlfs, Elizabeth Moberg
Clov.....Lena Breitfuß, Jane Winkler, Gunnar Greszik
Nagg.....Jenna Steenken
Nell.....Evelyn Kramer
Hamlet.....Ulrike Heptner
King Lear.....Jan Poppe